Deutsche Regisseure sagen gerne: „Ich mache Kultur.“ Selbst beim „Tatort“ habe ich oft das Gefühl, dass der Drehbuchautor eigentlich nur seinen alten Sozialkundelehrer beeindrucken will. Wenn man Clint Eastwood fragen würde, ob er Kultur macht, würde der sagen: „What do you mean? I make movies …“

Einfach nur gute Unterhaltung zu machen gilt in Deutschland irgendwie als kulturell minderwertig. Wir produzieren Autorenfilme, bei denen eine bleiche Frau minutenlang im Zug aus dem Fenster schaut und anschließend mit bebender Stimme sagt: „Ich kann Hans-Günter nicht verzeihen.“
Bei uns muss immer alles eine höhere kulturelle Relevanz haben. Ich bin mir sicher, wenn man der hessischen Filmförderung „Der Herr der Ringe“ als Drehbuch angeboten hätte, hätten die gesagt: „Die Story ist zu banal. Außer vielleicht, wenn wir Mordor nach Chemnitz verlagern und Sauron einen rechtspopulistischen Hintergrund hat.“
Ein Drehbuch wie das von „Breaking Bad“ wäre wahrscheinlich nie durch die erste Instanz der Öffentlich-Rechtlichen gekommen, weil ein Pädagoge, der Crystal Meth herstellt, überhaupt nicht die soziokulturelle Wirklichkeit des deutschen Lehrberufs abbildet. Die einzige Sendung, die von der Idee an Produktionen wie „The Walking Dead“ heranreicht, ist die alljährliche Bambi-Verleihung.
Der Theatermacher Wolfgang Liebeneiner hat schon in den Fünfzigerjahren gesagt: „In Amerika wird Film hergestellt wie Kunst und verkauft wie Ware. In Deutschland ist es genau umgekehrt.“
Amerikanische Künstler sehen sich weniger als „Kulturschaffende“, sondern als Dienstleister. Das wirkt extrem entspannend und lässig. Ich habe am Broadway schon Hollywoodstars wie Denzel Washington, Al Pacino und Susan Sarandon auf der Bühne gesehen. Die sagen ihren letzten Satz, verbeugen sich einmal kurz, und dann gehen sie von der Bühne. Das war’s.
In Deutschland gibt’s auf jeder drittklassigen Provinzbühne nach dem Finale noch zwölf Vorhänge. Ob das Publikum will oder nicht. Da wird die Applausordnung oftmals länger geprobt als das Stück selbst. Weil man nicht einfach nur Unterhaltung macht. Nein. Man macht Kultur! Fünfeinhalb Stunden „Ring der Nibelungen“ ohne Pause auf einem engen, harten Holzstuhl mit Thrombosestrümpfen. Das ist deutsche Kultur.